Gail Carriger – Soulless (The Parasol Protectorate ; 1) oder Finally I’m back in English Challenge!

Nach meiner von eher zweifelhaftem Vergnügen geprägten  Begegnung mit im Sonnenlicht glitzernden Vampiren und Werwölfen, die sich aus purer Jux und Dollerei als indianische Antwort auf die bösen und … äh … glitzernden Vampire herbeigezaubert haben, schwor ich mir, nie niemals nie nicht noch einmal ein Buch anzufassen, in dem es um romantische Verstrickungen zwischen Mensch, Vampir und Werwolf geht.
Dies nur als kleiner Hinweis, bevor wir uns nun gemeinsam der English Challenge Lektüre des Monats Juni widmen.  
Soulless, der entzückende Roman der amerikanischen Autorin Gail Carriger, spielt im düsteren, viktorianischen London. Alexia Tarabotti, nicht wirklich hübsch und zudem Halbitalienerin, was ihr einen viel zu dunklen Taint und ein überschäumendes Temperament beschert, ist bereits unglaubliche 26 Jahre alt und noch immer unverheiratet, wozu ihre spitze Zunge sicherlich einiges beigetragen haben mag. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es ihr neben vornehmer Blässe und Zurückhaltung vor allem an einem mangelt: Alexia Tarabotti hat keine Seele.
Daher ist es ihr völlig unbegreiflich, wie sie in die unmögliche Situation geraten konnte, in vornehmem Hause während eines privaten Balls von einem Vampir attackiert zu werden.
Als Seelenlose hat Alexia die Fähigkeit, die übernatürlichen Kräfte
von Vampiren und Werwölfen aufzuheben; dazu reicht bloßer Kontakt. Es ist dem Vampir daher nicht möglich, Alexia in den Hals zu beißen (und diese Eigenheit ist in Londoner Vampirkreisen bestens bekannt!), nichtsdestotrotz ist der aufdringliche Kerl nicht von seinem Vorhaben abzubringen. Alexia reagiert gereizt.

„I say!“ said Alexia to the Vampire. „We have not even been introduced!“

Im Verlauf der kleinen Rangelei, die sich aus dem schockierend schlechten Benehmen des Vampirs entwickelte, streckt Alexia den Unhold „versehentlich“ nieder – mit Hilfe einer hölzernen Haarnadel und eines geschickt geschwungenen Sonnenschirms. Dieses unschickliche Manöver ruft unverzüglich den entsetzlich unhöflichen Lord Maccon auf den Plan, Chefermittler des BUR (Bureau of Unnatural Registration) – ein großer, unordentlicher und umwerfend attraktiver … Werwolf.
Ah. Da war doch noch was …
Nun ja, was soll ich sagen? Ich hatte auch meiner Neigung zu Bandwurmsätzen abgeschworen und ihr seht, was dabei herausgekommen ist.
Soviel also zu meiner konsequenten Einhaltung einmal gefasster Vorsätze …
Von der eingangs erwähnten Reihe ist Soulless jedoch so weit entfernt wie Hedwig Courths-Mahler von Jane Austen, so dass ich meine Inkonsequenz in diesem Fall absolut nicht bereue. Gail Carriger schreibt einfach hinreißend, ihre Dialoge sind großartig und die Geschichte der seelenlosen „alten“ Jungfer Alexia, die sich vom aufbrausenden Lord Maccon in keinster Weise von eigenen Ermittlungen abhalten lässt, ist erfrischend originell. 
Da sind zunächst einmal die übernatürlichen Gesellschaftsstrukturen: 
Vampire leben in Hives, deren Königin die einzige ist, die neue Vampire erschaffen kann. Es gibt Menschen, die den Vampiren freiwillig dienen, die sogenannten Dronen, und Bluthuren, von denen Vampire trinken. Es gilt als gesellschaftlicher Fauxpas, ohne Erlaubnis einen Menschen zu beißen.
Werwölfe leben (natürlich) in Rudeln, lassen sich in Vollmondnächten jedoch von ihren menschlichen Dienern, den Clavigers, wegschließen.
Während im Britischen Empire die Übernatürlichen Wesen in die Gesellschaft integriert sind, Queen Victoria hat sowohl einen vampirischen als auch einen werwölfischen Berater an ihrer Seite, gelten sie in Amerika immer noch als Bedrohung der Menschen und werden gejagt. 
Als besonders gelungen fand ich den Einfall, mit dem die Autorin Vampire und Werwölfe „erklärt“: Während Menschen eine Seele (oder weniger) in sich tragen, besitzen übernatürliche Wesen zuviel Seele. (Was dann auch sehr schön erklärt, warum Alexia als Seelenlose Vampire und Werwölfe auf ihr rein menschliches Wesen reduzieren kann).
Diese Vorstellung ist die in Großbritannien gültige „Lehrmeinung“, es gibt jedoch auch andere Ansätze. Im weiteren Verlauf der Geschichte macht Alexia die Bekanntschaft eines jungen Amerikaners, der sich näher mit der Frage beschäftigt, wie Vampire zu Vampiren werden. 
Fazit: Herausfordernde Lektüre (selten habe ich derart viele Begriffe nachschlagen müssen), die sich in jeder Hinsicht lohnt. Leseempfehlung für die Austen-Fans unter den Fantasy-Lesern!
P.S.: Wer lieber beim Deutschen bleiben möchte, findet Soulless unter dem zugegeben selten dämlichen Titel Glühende Dunkelheit im Programm des Blanvalet-Verlags.