Die Dreizehnte Fee – Ewachen von Julia Adrian

Die Mischung aus Fantasy und Märchen hatte mir bei Neil
Gaimans „The Sleeper and the Spindle“ ausgesprochen gut gefallen, und
wenn es euch ähnlich ging, hab‘ ich gleich den nächsten Lesetipp für euch :
Julia Adrians „Dreizehnte Fee“. Die ersten beiden Bände sind schon
länger erhältlich, der dritte und abschließende wird im Juli 2016 erscheinen. 

Die Trilogie erzählt die Geschichte der dreizehnten Fee: 13 Mädchen, als Feenwechselbälger
von den Menschen gefürchtet und verfolgt, wachsen unter der Obhut der
Feenmutter auf. Sie schult die Mädchen im Umgang mit ihrer Magie – und ihrem
Hass. Die dreizehnte wird die Königin ihrer zwölf Schwestern, bis eine
ungestillte Sehnsucht und Verrat sie in den Dornröschenschlaf versetzten,
versteckt in einem Turm, ohne Aussicht auf Erlösung. 1000 Jahre verschlief sie
so, ihr Reich ist längst zerfallen, doch ihre Schwestern, als Hexen berüchtigt
und gefürchtet, knechten die Menschen gnadenlos. Einzig ein Hexenjäger stellt
sich der Herausforderung, die dreizehn Hexen zu töten. Und ausgerechnet er ist
es, der die dreizehnte Fee in ihrem Turmgefängnis erweckt. Denn um ihre
Schwestern zu vernichten, braucht er ihre Hilfe. 
Der erste Band, „Erwachen“, beginnt wie der Titel
schon verrät, mit dem Aufwachen der dreizehnten Fee. Da die Geschichte aus
ihrer Sicht in Ich-Perspektive erzählt wird, ist der Leser zunächst ähnlich orientierungslos
wie sie, doch das gibt sich schnell. Gemeinsam mit dem Hexenjäger flieht sie
aus dem Turm, gejagt von ihrer Schwester, der Eishexe, die ihr nach dem Leben
trachtet. Nur mühsam gelingt die Flucht, denn die dreizehnte Fee hat nicht nur
ihre Magie verloren, sie ringt auch mit ihrem Gewissen. Ihr Herz glaubt sie zudem
längst an den Hexenjäger verloren, obwohl er nie einen Hehl daraus macht, dass
er auch sie vernichten wird. 
Im Verlauf der für einen Fantasy-Roman mit 200 Seiten Umfang
eher kurzen Geschichte erfährt der Leser etwas mehr vom Hintergrund der Feen
(oder Hexen), es bleiben aber genügend Fragen ungeklärt, um ungeduldig auf die
Fortsetzungen zu warten. (Ich erwähnte schon, dass ich ein ungeduldiger Mensch
bin? ) Julia Adrian vermengt in ihren Romanen mehrere Märchen miteinander und spielt
sehr geschickt damit, dass die Wahrheit oft zwei Seiten hat und selten auf Anhieb
zu erkennen ist. So ist auch hier längst nicht alles so wie es scheint: Die
Feen sind böse Hexen, die Märchen (Hänsel und Gretel, Der Froschkönig) beruhen
auf wahren Begebenheiten, doch das Happy-End ist meist nur erfunden. Und nicht
immer fällt es leicht zu entscheiden, wer Opfer und wer Täter ist. 
Sprache und Stil der Autorin sind auf das Wesentliche konzentriert,
die Sätze kurz, aber eindringlich. Ausführliche Beschreibungen von Personen
oder Landschaft werdet ihr in der Dreizehnten Fee nicht finden, denn nur so
gelingt es Adrian, eine märchenhaft-poetische Atmosphäre zu erschaffen. Die
gelungenen Illustrationen von Svenja Jarisch und die märchenhaft-verspielte
Aufmachung (Brombeerranken und verschnörkelte Initiale) runden das Gesamtbild
ab. 
Fazit: Ein romantischer Fantasy-Märchenmix, der definitiv
Lust auf mehr macht!
Julia Adrian
Die Dreizehnte Fee – Band 1: Erwachen
Drachenmond-Verlag, 2015
ISBN 978-3-959911-31-1
12,00 €

The Sleeper and the Spindle von Neil Gaiman

Der britische Autor Neil Gaiman hat eine ganze Reihe vielbeachteter und preisgekrönter Romane verfasst und dies hauptsächlich in Sparten, die auch heute noch bei vielen Lesern – zu Unrecht! – nicht unbedingt für literarische Qualität stehen: Comics, Fantasy und Kinderliteratur. Dabei begann er seine schriftstellerische Laufbahn ganz klassisch als Journalist, doch schon seine ersten Bücher zeigten ganz klar, in welche Richtung es ihn zog: sein drittes Buch „Don’t Panic“ erschien 1988 und erzählt die Entstehungsgeschichte von Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis“-Trilogie, das vierte Buch „Good Omens“ (1990) schrieb er gemeinsam mit Discworld-Erfinder Terry Pratchett. Seinen endgültigen Durchbruch erzielte er jedoch mit der Comicreihe „Sandman“. Obwohl man Autoren selten einen Gefallen damit tut, sie mit anderen zu vergleichen, und auch wenn diese Erkenntnis angesichts der gerade aufgezählten Frühwerke Gaimans nicht wirklich überrascht, gehört Gaiman mit seinem oft schwarzen Humor und insbesondere seiner Art, Altbekanntem einen ganz eigenen Dreh zu entlocken, für mich dennoch sehr eindeutig in die „Adams-Pratchett-Schublade“.
In seinen Werken wimmelt es von Anspielungen und Anleihen – gerne aus der Mythologie, aber auch Märchenstoffe und -figuren werden von ihm überraschend neu gemischt.
 
In seinem neusten Werk „The Sleeper and the Spindle“ (dt. Der Fluch der Spindel) mischt Gaiman erneut Fantasywelten mit Märchenstoffen. Ich mag derartige Spielereien ungemein, hier allerdings hat mich tatsächlich zuerst die Aufmachung angesprochen: das englische Exemplar hat einen durchscheinenden Schutzumschlag mit Rosenranken, durch den die schlafende Schönheit auf dem Buchdeckel zu sehen ist. Innen ist das Buch wunderschön illustriert von Chris Riddell, den einige von euch vielleicht von den Klippenland-Chroniken kennen. (Oder von Ottoline – tolle Bücher!)

Die Geschichte, ein Märchen, ist schnell erzählt: In einem kleinen, weit entfernten Königreich, das beinahe unerreichbar hinter einer Bergkette liegt, bereitet sich eine Königin auf ihre Hochzeit vor. Drei Zwerge machen sich auf den Weg, ein Hochzeitsgeschenk zu besorgen, und weil die Bergkette nun einmal unbezwingbar ist – selbst für Zwerge – gehen sie auf Zwergenart unter ihr hindurch ins benachbarte Königreich. Von dort nun droht Gefahr: vor 70 Jahren fiel die Königstochter durch den Fluch einer bösen Fee in einen tiefen Schlaf und mit ihr alle Menschen und Tiere im Schloß. Doch der Fluch blieb nicht auf das Schloß begrenzt, Jahr für Jahr dehnte er sich aus, bis er schließlich bis an die Bergkette reichte. Die Königin, die eigentlich sowie so keine Lust auf eine Hochzeit hatte, beschließt, sich der Gefahr, der ihrem Reiche droht, zu stellen, die Prinzessin aufzuwecken und den Fluch damit zu brechen.
Gaiman wäre jedoch nicht Gaiman, wenn es nun bei dieser Fantasy-Adaption des bekannten Grimmschen Märchen bliebe. Für Dornröschen hat er einen wirklich schönen Twist entwickelt, der sich keinesfalls darauf beschränkt, Schneewittchen mit in die Geschichte eingebaut zu haben. Verraten möchte ich ihn an dieser Stelle nicht, nur soviel: wie jedes Märchen gibt es auch hier ein Happy End, allerdings eines, das sticht.
Eine schöne Geschichte in liebevoller Aufmachung, großartig illustriert von Chris Riddell!