„Stell dir vor, du bekommst einen Brief von deinem zukünftigen Ich. Würdest du ihn lesen?“
Die Frage auf dem Buchrücken ist eine rhetorische, denn natürlich liest Ge den Brief, den sie in der Schublade des alten Schreibtischs findet. In genau dieser Schublade hatte sie am Abend zuvor ihren eigenen Brief deponiert; einen Brief an sich selbst, weil sie in dem kleinen irischen Nest „Blackwood“, in das es sie nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Mutter verschlagen hatte, niemanden hat, dem sie ihr Herz hätte ausschütten können. Der Kulturschock hätte nicht größer sein können: vom großstädtischen Wien kommt Ge, die eigentlich Gesine heißt, ins beschauliche Blackwood zu ihrer Tante, die mit Leprechauns spricht und vom Verkauf der eigenen Töpferware lebt. Jeder Versuch, sich in dieser Welt einzufinden, geht unweigerlich schief, Gesine stolpert von einem Missgeschick zum nächsten und fühlt sich immer verlorener.
Blackwood und seine Bewohner sind nämlich mehr als skurril, hinzu kommt der heimische Radiosender, der nicht nur den neusten Klatsch und Tratsch verbreitet, sondern auch so gut über die intimsten Vorgänge im Ort informiert ist, dass es schon ein bisschen unheimlich ist. Zumindest für mich Großstadtpflanze, die es – ähnlich wie Ge – nicht gewohnt ist, dass jedes Detail des eigenen Lebenslaufs der unmittelbaren Nachbarschaft so vertraut ist wie deren eigener.
Mit jeder Stunde, die vergeht, sehnt sich Ge mehr zurück nach Wien. Spontan beschließt sie, es ihrer Mutter gleich zu tun. Die verschwand eines Nachts mit nur einer Tasche Gepäck aus Blackwood und kehrte nie zurück. Gesines nächtlicher Fluchtversuch endet jedoch wenig rühmlich im Graben, wo sie ausgerechnet von Arian Mary, dem Sohn des örtlichen Großindustriellen, aufgelesen wird. Arian mit den schönen, sanften Augen – und auf einmal ist Blackwood doch gar nicht mehr so schrecklich. Arian ist jedoch mit der umwerfenden Lillian zusammen, Tochter aus gutem Hause und das angesagteste Mädchen an der Schule. Keine Chance für Ge. Doch dann bekommt sie die weibliche Hauptrolle im neuen Stück der Theater-AG – an der Seite von Arian …
Das Cover des Buchs hat mich sofort angesprochen, der geheimnisvolle Klappentext tat sein Übriges. Leider konnte das Buch am Ende mit beidem nicht mithalten. Die Briefe aus der Zukunft sind weder so geheimnisvoll noch so handlungstragend wie es der Klappentext verheißt. Stattdessen dreht sich alles um die Romanze zwischen Arian und Ge, um Intrigen der Schulschönheit Lillian und Gesines diversen Missgeschicken, die zum Teil schon arg an den Haaren herbeigezogen sind (ich sage nur Katzenbad …). Dies und einige andere unschöne Details – etwa das schon sehr plakativ angepriesene Essen als allmächtiges Heilmittel in allen seelischen Notlagen oder die Tatsache, dass moralisch eher verwerfliche Taten als völlig o.k. angesehen werden so lange sie nur von den richtigen Personen (nämlich den „Guten“) durchgeführt werden – haben mir die Lektüre, die ansonsten zumindest unterhaltend war, doch etwas verleidet.
Fazit: Beworben als All-Ager entpuppt sich „Blackwood – Briefe an mich“ als typische Teenie-Romanze mit leichtem Mystery-Einschlag. 3 von 5 Kätzchen 🙂