Die Welt, wie wir sie kennen, ist schon lange Geschichte. Der Klimawandel hat voll zugeschlagen, ganze Landstriche dem gestiegenen Meeresspiegel zum Opfer gefallen. Die Sonne brennt unbarmherzig auf staubige Landstriche und die Menschheit kämpft ums Überleben. Oder auch nicht. Statt sich mit der Realität auseinanderzusetzen, haben sich die Menschen in virtuelle Scheinwelten zurückgezogen. In künstlich geschaffenen Umgebungen spazieren sie durch das London des Jahres 1622, vergnügen sich in Wasserparks oder genießen das beschauliche Landleben in Kerrybrook, dem idyllischen Fischerdörfchen.
Während ihr Geist durch die computergenerierte Welten der Firma Mastermind schweben, verbringen die Menschen ihre Zeit größtenteils eingeschlossen in Kapseln, rudimentär versorgt mit Nahrungslösung und Wasser. Was auf den ersten Blick irrsinnig erscheint, ergibt bei genauerer Überlegung durchaus Sinn: in der wirklichen Welt mag das (wiederaufbereitete) Wasser vor lauter Chlor kaum noch trinkbar sein, doch in den virtuellen Welten von Mastermind wird der süßeste Nektar daraus.
Nur einige wenige Menschen werden in die Realität zurück geholt und nach ihren Talenten eingesetzt. Während Wissenschaftler daran arbeiten, den Klimawandel umzukehren und Arbeiter sich Prämienpunkte für die virtuellen Welten erarbeiten, ist Jana zu den Weltendesignern aufgestiegen. Ihre Aufgabe ist es, attraktive und abwechslungsreiche Welten zu programmieren, in denen sich die Menschen gern aufhalten. Mit dem friedlichen Dörfchen Kerrybrook ist ihr das besonders gut gelungen, immer mehr Menschen wechseln in ihre Welt und bleiben dort. Doch dann geschehen merkwürdige Dinge – Dinge, die in Kerrybrook nicht passieren dürften, weil sich nicht vorgesehen sind: ein Fischer fährt auf die See hinaus und springt mit steingefüllten Taschen ins Meer, eine junge Frau wird am helllichten Tag erstochen … Verzweiflung und Mord sind für Kerrybrook nicht vorgesehen, das allein ist schon besorgniserregend, doch in den virtuellen Weiten ist selbst der Tod eine Illusion – wer stirbt, wird in die Realität zurück katapultiert und verliert den Pass zu dieser Welt. Verschmerzbar, denn an ihrer Stelle stehen tausende weiterer Welten zur Verfügung. Nur, dass die junge Frau, die in Kerrybrook erstochen wurde, in keiner anderen Welt auftaucht. Ein Kapseldefekt, heißt es, sei für ihren realen Tod verantwortlich. Jana wird misstrauisch und begibt sich in den virtuellen Weiten auf Spurensuche. Schon bald muss sie feststellen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Jemand hat es auf sie abgesehen und den Ausgang in die Realität versperrt. Wenn Jana stirbt, wird sie auch in der Realität sterben .. Ihre einzigen Anhaltspunkte sind ein Phantom in Kerrybrook und kryptische Nachrichten an toten Tauben – und die Zeit läuft …
Janas Wettlauf durch die Welten und ihr Versuch, herauszufinden, was eigentlich vor sich geht, ist mitreißend und spannend erzählt. Jana ist eine durch und durch sympathische Figur, man muss sie einfach gern haben, auch wenn sie manchmal wirklich etwas auf dem Schlauch steht. Das Rätsel mit den Tauben habe ich jedenfalls deutlich früher als sie durchschaut, und das ist wirklich keine große Kunst.
Von der eigentlichen Welt bekommt man gar nicht so wahnsinnig viel mit, vieles bleibt sehr blass – hier hätte ich mir tatsächlich mehr Details gewünscht, so ist es insgesamt doch eher unglaubwürdig – diese Kapseln für die virtuellen Welten müssen Unmengen an Energie und (technische) Infrastruktur benötigen, ich kann nicht wirklich glauben, dass die Mittel dafür wirklich vorhanden sind. Aber: es stört nicht wirklich, weil der größte Teil der Handlung in den virtuellen Welten stattfindet, und die sind wirklich großartig beschrieben.
Fazit: Dystopischer Jugendroman mit Suchtfaktor – wer über kleinere Schwächen hinweg schauen kann, wird mit einer spannenden und überraschenden Geschichte belohnt!